zurück

13.01.1990, Karin Rohnstock, lila offensive (Unabhängiger Frauenverband)

Unabhängige Frauen sind geistig eins mit "Rosa"

Auf unser aller Lernprogramm - das Selbstvertretungsrecht
Gleichwohl ich mit dem Erneuerungsbestrebungen der SED-PDS durchaus sympathisiere, beherrscht alter Geist immer noch diese Partei. Ich möchte nicht zu Rosa Luxemburg als "hervorragenden Führer der deutelten Sozialdemokraten und Kommunisten" gehen - wie es im Aufruf formuliert ist. Wenn überhaupt, war sie eine Führerin! Aber hat sie sich so verstanden, und entspricht dieses Verständnis einem Geschichtsbild das die Kategorisierung in "Führer" und "Masse" überwindet? Rosa Luxemburg faszinierte und fasziniert uns auch heute noch wegen ihrer Klugheit und Toleranz, sie hatte Mut zu ihren Gefühlen, sie machte als Frau Politik, ohne sich männlichen Verhaltensmustern anzupassen. Ich möchte sie ihr gehen, weil ich sie verehre, weil sie mit ihren Schritten eine große Bedeutung für meine Identitätsfindung als Frau hatte und weil ich die Gefahren von hinterhältigen Machtinteressen, von autoritären und totalitären Umgangsmethoden auch heute noch sehe. Und dies nicht nur im Verhalten gegenüber Frauen!
Wenn wir gemeinsam im Sinne Rosa Luxemburgs demonstrieren wollen, wieso dann nur für "die sozialen Interessen der arbeitenden Menschen"? Wieso nicht für die Kinder, die Kranken, Alten, Behinderten? Wo bleibt das tiefere Verständnis für das Integrationskonzept der "Freiheit" der Luxemburg. Hat sich die SED-PDS im durchaus akzeptablen Bemühen nicht vorschnell eine Idee auf ihre Fahnen geschrieben, deren Humanismus- und Demokratieansatz sie noch gar nicht aufgearbeitet hat? Bei allem Verständnis für Schwierigkeiten des Selbstverständnisprozesses dieser Partei - aber dieser Spruch ist zu keck. Ich weiß nicht, wie viele Frauen und Männer wegen ihres Demokratisierungsbekenntnisses eben zum Anlaß dieser Demonstration 1988 ihre Heimat verlassen mußten. Dieses eilige und oberflächliche Bemühen auf Korrektur ist peinlich.
Auf unser aller Lernprogramm steht an erster Stelle, die Autonomie, das Selbstvertretungsrecht jeder und jedes einzelnen zu begreifen und nicht zu richten, rächen, wiederum auszugrenzen, mit der selbstüberheblichen Haltung, Wissen und Recht gepachtet zu haben.
Trotz dieses merkwürdigen Aufrufs: Ich gehe zur Demonstration, auch wenn ich nicht verstehe, was das "natürliche Erbe des Menschen" (letzter Punkt) sein könnte.

aus: Freiheit, Nr. 11, 13.01.1990, Sozialistische Tageszeitung für den Bezirk Halle

zurück